Sonntag, 8. März 2015

Die Wahrheit ist langweilig

Die Ansicht eines Bürgers aus Hohenems. Gut dass es noch Menschen gibt die mitbestimmen wollen. Dieses Inserat habe ich im Gemeindeblatt (Ausgabe 5. März, 2015) gesichtet. Eine schöne Ansicht, Herr Fenkart, vielen lieben Dank an dieser Stelle. Das Architekturwunder der Fa. I+R Schertler hingegen, ist so keimfrei wie ein Chlorhuhn. :)



Die Wahrheit ist langweilig


Alle Politiker lügen. Sagt man im Städtchen und in der weiten Welt. Man kann sich darüber aufregen und zugleich in Sicherheit wiegen. Wenn eh alle lügen, dann wählen wir eben den, der das am besten kann. Manchmal ist das hinterher teuer. „Griechenland“ beginnt eben schon am Wörthersee.


In jeden Briefkasten wurde die Nachricht geworfen, der Bürgermeister habe gelogen.


Auch im Städtchen haben sich viele aufgeregt. Der Bürgermeister habe gelogen, sagen sie. In jeden Briefkasten wurde die Nachricht geworfen, der Bürgermeister habe gelogen. Sie wiederholen es wie eine Gebetsmühle.

Man kann sich die Video-Aufzeichnung ansehen, sie ist nicht misszuverstehen. Der Bürgermeister spricht Dialekt, wie die meisten hier. Er spricht so deutlich, dass sogar ich als Deutscher jedes Wort verstehe.

Worum ging es: Vor Jahren hat ein Grundbesitzer der Stadt ein Angebot gemacht. Ein Drittel eines Grundstücks, dann noch ein zweites Drittel, aber mit dem ersten Teil nicht verbunden. Irgendwie nicht gut zu bebauen. Aber dafür zum doppelten Schätzpreis angeboten. Man kann’s ja mal versuchen.

Der Bürgermeister forderte den Grundbesitzer auf, doch das ganze Grundstück anzubieten. Aber das Angebot kam nicht. Der Hausbesitzer verhandelte schon mit einer Baufirma. Das war sein gutes Recht.

Der Wirtschaftsausschuss der Stadtvertretung hat das halbherzige Angebot zum doppelten Preis mit den Stimmen aller Parteien abgelehnt.

Nun ist eine Partei plötzlich schlauer als vor fünf Jahren. Eigentlich sind alle Parteien schlauer als vor fünf Jahren. Aber manche sind nicht nur schlauer, sondern auch vergesslicher. Sie wissen gar nicht mehr, was sie vor fünf Jahren alles mitbeschlossen haben. Jetzt hat man es plötzlich immer schon gewusst. Damals wollte man vor allem Geld sparen. Jetzt wirft man dem Bürgermeister vor, dass er es nicht mit vollen Händen ausgegeben hat.

Vor allem aber weiß man, der Bürgermeister habe gelogen. Er habe gelogen. Er habe gelogen. Man behauptet es so lange, bis man es selber glaubt.

Aber glaubt man das wirklich selber? Es gibt ja eine Videoaufnahme, die zeigt, was der Bürgermeister tatsächlich sagt: „Das Angebot hat es gegenüber der Stadt nie gegeben, das ganze Areal zu kaufen.“ Er sagt es im Dialekt. Alle können es verstehen, sogar ich. Alle können es hören, dass er eigentlich nur die schlichte Wahrheit sagt. Wie langweilig. Der Mann ist kein „richtiger“ Politiker, er lügt ja gar nicht.

Schade, dass der Hausbesitzer nicht das ganze Areal zum Kauf angeboten hat. Dann könnte man sich die Aufregung im Städtchen sparen. Aber im Moment kommt Aufregung gelegen, schließlich ist Wahlkampf. Und wer am besten lügt, glaubt manchmal, schon gewonnen zu haben.


hanno.loewy@vorarlbergernachrichten.at
Hanno Loewy ist Direktor des Jüdischen Museums in Hohenems.

Quelle: VN

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